Warum die Audimax-Besetzung gut ist

Als heute Nachmittag die Anrufe und die Textnachrichten bei mir ankamen, dass das Audimax besetzt sei, war ich doch etwas überrascht. Ich wusste zwar, dass seit Dienstag die Säulenhalle der Akademie der bildenden Künste besetzt war, aber dass sich die Proteste so sehr ausgebreitet hatten, hätte ich nicht erwartet.

Die Audimax-Besetzung wurde schnell zum Gesprächsthema im Büro. Am frühen Abend auf dem Weg von der Arbeit zum Praktikum stellte sich dann heraus, dass die Sache nicht nur im Büro Thema war. Die Leute in der U-Bahn und auf der Straße redeten über Dinge wie Studiengebühren und die APO. Die Sache war groß. Die Sache war größer als die üblichen Proteste, die seit der ersten Einführung von Zugangsbeschränkungen halbwegs regelmäßig statt finden.

So gegen zehn, nach dem Praktikum, konnte ich endlich auch zum besetzten Audimax. Oh ja, da spielte sich wirklich was ab! Das Audimax war voller, als ich je gesehen habe – und ich kennen Publizistik-Lehrveranstaltungen im ersten Semester. Auch der Gang vor dem Audimax und die umliegenden Teile der Universität waren voller Menschen.

Für mich war das eine großartige Sache, ganz klar. In meiner ganzen Zeit in der Studienvertretung gab es oft genug frustrierende Momente. Momente, in denen wir das Gefühl hatten, für Dinge und Menschen zu kämpfen, die niemanden interessieren und die es nicht interessiert.

Seit ich begonnen habe zu studieren, werden die Studienbedingungen Schritt für Schritt schlechter. Die studentische Mitbestimmung wurde abgeschafft, Studiengebühren wurden eingeführt. Schließlich konnten Deutsche ohne einen Studienplatz in Deutschland zu haben hier studieren, was zum Anlass genommen wurde, Zugangsbeschränkungen einzuführen. Änderungen am Studienplan der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft gibt es mittlerweile fast jedes Semester. Diese Änderungen werden sehr kurzfristig umgesetzt und nicht ausreichend kommuniziert; das verunsichert die Studierenden natürlich. Dieses Semester wurde unter anderem das Anmeldesystem umgestellt. Studierende hatten ein Kontingent von tausend Punkten und mussten sie je nach Priorität auf ihre Lehrveranstaltungen verteilen. Die Verunsicherung war besonders groß, weil niemand wusste, wie viele Punkte ausreichen, um die Plätze zu bekommen, die man braucht. Das alte System, das mit der Reihenfolge der Anmeldung arbeitete, war vielleicht nicht besonders fair, aber wenigstens durchschaubar.

Ich habe selten so viele Studierende getroffen, die so unzufrieden über die Abläufe im Studium waren und so frustriert, wie dieses Semester. Aber trotzdem habe ich kein erhöhtes Interesse an der Arbeit der Studienvertretung oder der Österreichischen HochschülerInnenschaft bemerkt. Es war, als wären alle unzufrieden über die Spielregeln, aber jeder einzelne würde versuchen, nach den schlechten Regeln zu gewinnen, statt sie zu ändern.

Und daher war ich so begeistert, als ich heute zum Audimax kam. Was sich sah, war eine große Menge von Menschen, die nicht versuchen als Einzelne das Beste für sich herauszuschlagen, sondern solidarisch kämpften für Verbesserungen, von denen alle gemeinsam etwas haben. Publizistik- und Kommunikationswissenschaft ist ein Studienrichtung mit mehreren tausend Studierenden. In der basisdemokratischen Studienvertretung, die definitiv für alle offen ist und die sich bemüht, es Neulingen möglichst leicht zu machen, engagieren sich trotzdem nie mehr als zehn Leute. Genau so selten ist diese solidarische Haltung. Umso schöner war es, zu sehen, dass es doch etliche Menschen gibt, die etwas ändern wollen.

Ob’s was geändert hat, kann man wohl erst sagen, wenn man es gemacht hat. Garantie gibt’s natürlich keine. Aber welche Handlungsoptionen haben wir sonst noch? Demos und Besetzunge sind ja immer das, was man macht, wenn man sonst schon alles probiert hat und es nichts gebracht hat. Ich glaube nicht, dass eine Audimaxbesetzung alleine ausreicht. Aber sie ist ein guter Anfang. Das Entscheidende sind die Energien, die dadurch frei gesetzt werden. Wir sehen, dass wir nicht alleine sind und dass auch andere bereit sind, etwas zu tun. Die Besetzung thematisiert die Probleme der Universitäten, und dadurch ergeben sich erst die Möglichkeiten zur Verbesserung.

Das 20. Jahrhundert ist noch nicht so lange vorbei, wir sollten eigentlich noch wissen, wie Protest funktioniert und dass er funktioniert. Was hat die Arbeiterbewegung gemacht, die Studentenbewegung, die Frauenrechtsbewegung, das Civil Rights Movement und das Gay Liberation Movement? Und wo würden wir heute ohne diese Protestinitiativen stehen?

Natürlich kommen  bei Unibesetzungen immer die Gegenstimmen, die die Besetzer für rücksichtslos halten, weil sie selber ihre Lehrveranstaltungen nicht besuchen können. Das ist vielleicht etwas kurzfristig gedacht. Wenn jeder immer nur auf seinen eigenen kurzfristigen Vorteil bedacht ist, dann hat man eine Masse, die alles mit sich machen lässt. Darum geht’s bei dem Begriff Solidaridät. Lässt sich die weiße Ratte abrichten und frisst den Köder oder beschließen alle Ratten gemeinsam, die Köder liegen zu lassen, um ein Ende des Experiments herbeizuführen?

Es ist die Aufgabe der Uni, dafür zu sorgen, dass der Lehr- und Prüfungsbetrieb weiter aufrecht erhalten bleibt. Irgendwie ist es vollkommen falsch, die Schuld an ausfallenden Prüfungen den Protestierenden zu geben statt den Akteuren, die dafür gesorgt haben, dass die Zustände an den Unis so sind, dass viele nicht mehr weiter bereit sind, sie so hinzunehmen. Es sind sehr wenige Leute, die jetzt nicht auf die Uni können, im Vergleich zu denen, die in den letzten Jahren in chronisch unterfinanzierten Studien nicht die LVs besuchen konnten, die sie brauchen.

Konkurrenz und Leistungsdruck stellen sich sowieso von selber ein, man muss das nicht auch noch durch unsinnige Studienpläne und schlechte Studienorganisation auf die Spitze treiben. Ich kenne mehr als genug Leute, die mit Studium, Praktika und Geld verdienen fast ständig eingespannt sind. Die Leute sind ständig am Arbeiten und haben trotzdem Panik, keinen ordentlichen Job zu bekommen. Und das soll gut sein?

Leistungsbereitschaft ist gut, aber es wäre schön, wenn man die Leistung erbringen könnte, weil man reale Perspektiven als Ziel vor Augen hat. Leistung ja, aber nicht, weil man ständig das Gefühl hat, dass nur ein paar der „Kandidaten“ die „Castingshow“ gewinnen werden und dass man wahrscheinlich auf der Strecke bleiben wird, selbst wenn man gute Leistung erbringt und sein Bestes gibt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert