Über Erstsemestrigentutorien

Sehr viel habe ich ja nicht gebloggt. Das liegt daran, dass mein Kalender momentan viel zu viele Einträge hat. Und wenn mal gerade nichts im Kalender steht, gibt es genug anderes zu tun. Zu den vielen Einträgen in meinem Kalender, die mich vom Bloggen abhalten, gehörten auch die Termine des Erstsemestrigentutoriums, das ich gemeinsam mit der großartigen Mel dieses Semester halte. Mein definitiv letztes Erstsemestrigentutorium übrigens, genauso wie das zuvor. 😉

Wenn ich gerade akut im Terminstress bin, frage ich mich schon manchmal, warum ich das mache. Es kostet Zeit und bringt weder Geld, noch Scheine für die Uni und meinen Lebenslauf wertet es auch nicht großartig auf. Gestern habe ich mit meiner Nachbarin darüber geplaudert. Sie meinte, selber hätte sie an sowas ja nie teilgenommen. In ihrem ersten Semester wäre sie einmal zu einem Erstsemestrigentutorium gegangen, wäre nach der Vorstellungsrunde aber sofort zu zweit mit einer Studienkollegin, die sie dort getroffen habe auf einen Kaffee gegangen und nie wieder ins Tutorium. Sie und diese Studienkollegin sind immer noch befreundet. Ich meinte daraufhin: „Wenn das so ist, dann hat das Erstsemestrigentutorium ja wunderbar funktioniert für euch.“

Genau so ist es. Natürlich geht es bei einem Erstsemestrigentutorium auch darum, dass StudienanfängerInnen die Möglichkeit haben, jemanden der schon länger studiert und die Stadt besser kennt fragen zu können. Natürlich helfen wir TutorInnen ihnen gerne bei den oft mühsamen ersten Schritten an der Uni und zeigen ihnen das, was unser Leben in Wien schön macht. Aber ein nicht unwichtiger Nebeneffekt ist die Vernetzung der Neulinge untereinander. Jemand, der Publizistik studiert, wird im ersten Semester drei STEP-Vorlesungen im Audimax haben, dazu zwei e-Learning-Fachtutorien und ein „richtiges“ Präsenzfachtutorium. Erfahrungsgemäß lernt man am ehesten noch im Präsenztutorium Leute kennen, sonst kaum. Und StudienkollegInnnen zu kennen ist enorm wichtig, auch um das Studium zu überstehen. Die Studienbedingungen an der Publizistik ändern sich sehr oft und sehr kurzfristig. Dieses Semester gibt es ein entsetzliches neues Anmeldesystem, die Studieneingangsphase wurde umstrukturiert und die Regelung für die freien Wahlfächer wurde geändert. Die ErstsemestrigentutorInnen und die Leute aus der Studienvertertung sind mit der Situation konfrontiert, dass sie AnfängerInnen in einem Studium beraten müssen, das sie in der Form selber nicht studiert haben und nie studieren werden. Manche Dinge kann man nachlesen, aber in manchen Fällen bleibt uns nichts anderes übrig, als die Erfahrungen, von denen andere uns erzählt haben weiterzugeben.

Genauso wichtig wie die direkte Beratung durch Höhersemestrigen ist in Erstsemestrigentutorien die Funktion als Informationsdrehscheibe und Vernetzungsplattform. Wenn ich erlebe, dass die Leute beim ersten Treffen meines Erstsemestrigentutoriums Nummern austauschen, um vielleicht gemeinsam eine Wohnung zu suchen, dann freu ich mich einfach wie gut das doch funktioniert. Und dann sehe ich auch, warum ich ein Erstsemestrigentutorium halte: Meiner Meinung nach sollte die Universität nicht nur ein Ort des schnellstmöglichen Scheinerwerbs sein. Mindestens so wichtig ist der Austausch mit Gleichgesinnten. Gib genug interessanten Menschen mit ähnlichen Zielen eine Plattform, um miteinander zu kommunizieren, und interessante Dinge werden passieren.

Meiner Erfahrung nach sind oft die Leute, die man ganz an Anfang trifft die, mit denen man auch weiterhin am meisten zu tun haben wird. Das Kind, neben dem du im Bus sitzt, ist wahrscheinlich auch das, mit dem du am Wandertag am meisten reden wirst. Und wer weiß, vielleicht ziehen die Leute, die ihre Nummern ausgetauscht haben wirklich in die selbe Wohnung. Vielleicht werden andere in Zukunft selber gemeinsam ein Erstsemestrigentutorium halten, oder ein Fachtutorium, die selben Seminare besuchen oder eine Firma gründen?

Und dann weiß ich wieder, warum ich schon wieder ein Erstsemestrigentutorium halte: Weil mir klar ist, wie wichtig es ist, sich gleich zu Beginn des Studiums ein Netzwerk aufzubauen und weil ich sehe, dass das aus Ressourcenknappheit und falsch verstandenem Leistungsgedanken von der Universität kaum gefördert wird. Dann müssen wir, die Studierenden, wohl selber handeln. Und eigentlich finde ich das sowieso besser so. Gäbe es diese Vernetzungsstrukturen als vorgefertigtes Angebot der Universität, hätte das einen leicht schalen Beigeschmack von Bevormundung. Vernetzung funktioniert viel besser, wenn die Beteiligten selber das was, wann wie und wo bestimmen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert