Ulrich Seidls „Paradies: Liebe“

Ich habe in meinem Praktikum bei TIP Berlin probehalber eine Rezension geschrieben. Es ging nur darum, mal zu hören, was die Kollegen aus der Filmredaktion davon halten. Wenn der Text jetzt einfach in die Schublade wandern würde, wäre das schade. Bitteschön, viel Spaß beim Lesen!


Theresa, eine Wienerin mittleren Alters, macht in einem Ferienressort in Kenia Urlaub. Obwohl es sie anfänglich zögert, legt sie sich einen jungen, schwarzen Liebhaber zu. Ihr Zögern hat einen Grund: Es geht ihr nicht nur um Sex, sondern sie sehnt sich danach, begehrt und geliebt zu werden. Ihr Liebhaber bemüht sich, ihr diese Illusion zu vermitteln. Jedoch ohne echte Gefühle seinerseits. Ihn interessiert vor allem ihr Geld als „Sugar Mama“. Theresa ist diese Prämisse klar, dennoch macht sie sich weiter auf die Suche nach Liebe. Daraus entstehen immer neue Enttäuschungen. Die Beziehungen der Wienerin zu den jungen Männern beinhaltet Erniedrigung für beide Seiten: Die Afrikaner verlieren ihre Selbstachtung, weil die Armut sie in die Prostitution treibt, und Theresa wird in der Entwertung ihres alternden Körpers bestätigt.

Die dokumentarische Qualität von Ulrich Seidls Film wird durch die streng komponierten Bilder gebrochen. Lange Einstellungen mit symmetrisch angeordneten Szenen verweisen immer wieder auf die gestaltende Hand des Filmschaffenden. Wenn die Kamera nicht starr auf das Geschehen gerichtet ist, folgt sie der Hauptdarstellerin Margarethe Tiesel meist in dichtem Abstand von hinten. In peinlichen oder intimen Momenten blendet sie nicht diskret weg, sondern zeigt alles mit indifferenter Gründlichkeit. Diese Gleichgültigkeit ist nur eine scheinbare, denn so erzeugt der Film Nähe, ohne dass es zu einer Identifikation mit der Hauptperson kommt. Der Zuseher wird zum Voyeur, der beginnt, sich im Kino genauso unwohl zu fühlen, wie die Personen auf der Leinwand.

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