Mutter-Vater-Kind, traditionsbefreit

Richtig erwachsen wird man erst, wenn man selber Kinder bekommt, habe ich mal gehört. Ob das so ist oder nicht, sei dahingestellt. Aber die Geburt von Kindern bringt den Alltag von Eltern sicher gehörig durcheinander. Bei Suse und Micha hat die Geburt ihrer Tochter  dazu geführt, dass sie sich ausgiebig Gedanken über die Arbeitsaufteilung zwischen Mutter und Vater und über Geschlechterrollen gemacht haben. Darüber schreiben sie jetzt auch auf ihrem Blog femilyaffair.de.

Liegt das an Berlin? „Wunderbar, das ist ganz nach meinem Geschmack“, so reagiert Micha, als ich ihm erzähle, dass ich in meinem Studium einen Gender-Schwerpunkt gemacht habe. In Wien sind mir die meisten Leute mit Unverständnis begegnet oder es war ihnen zumindest egal. Micha, Vater einer sechsmonatigen Tochter, ist überzeugt davon, dass die Männer und Frauenrollen, so wie sie in unserer Gesellschaft gelebt werden, nicht naturgegeben sind. Es geht auch anders, findet er. Seine Freundin Suse und er wollen ihrer Tochter auch nicht in eine traditionelle Mädchenrolle zwingen. Barbie-Puppen wird man bei den Spielsachen ihrer Tochter wahrscheinlichen nicht finden. Viele der vermeintlich traditionell weiblichen oder männlichen Eigenschaften und Merkmale sind ja gar nicht so traditionell. Dass hellblau für Jungs steht und rosa für Mädchen etwa, das ist eine verhältnismäßig junge Zuschreibung.

Bei aller Diskussion um die symbolischen Zuschreibung von Geschlechterrollen geht es im Feminismus doch auch um praktische Fragen. Welche Lebensmodelle funktionieren für Männer und Frauen? Woher kommt das Geld, wer kümmert sich um die Kinder, wer hat welche Möglichkeiten? Das sind Fragen, die Männer genauso betreffen wie Frauen. Auch sie dürfen sich fragen, ob traditionelle Lebensmodelle überhaupt das sind, was sie wollen. Sie sollen sogar! Weil es nämlich in ihrem eigenen Interesse ist. Ist das dann Feminismus? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ist es wichtig, welches Wort man dafür findet? Wahrscheinlich nicht.

Es geht um ganz einfache Fragen: Wer macht was, wie organisiert man den Alltag? Eigentlich politische Fragen. Denn die private Lebensgestaltung ist nur in dem Rahmen möglich, den Politik und Gesellschaft vorgeben. Suse und Micha haben für sich ein einfaches, aber einleuchtendes Modell entwickelt. Jeden Tag wechseln sie die Verantwortung für das Kind. So kümmert sich immer ein Partner um die Tochter der beiden, während der andere die Freiheit hat, seinen Tag so zu gestalten, wie er vor der Geburt des Kindes getan hätte. Die Vorteile dieses Systems liegen auf der Hand. Zum einen wird so eine gerechte Aufteilung der Elternarbeit erreicht. Die wird in traditionellen Familien ohne explizite Regelung oft vor allem von der Frau übernommen, findet Micha. Zum anderen haben beide Partner die Möglichkeit, ihr bisheriges Leben weiterzuführen, ohne völlig in ihrer Elternschaft aufzugehen.

Das Modell funktioniert auch darum, weil beide freiberuflich arbeiten. Und natürlich nicht immer reibungslos. Manchmal ärgern die verständnislosen Reaktionen der Umwelt. Das Kind sähe gar nicht aus wie ein Mädchen, bekommt Suse etwa zu hören. Oder Micha erntet Verwunderung darüber, dass das Modell nicht nur ein zeitlich begrenztes Experiment ist. Naturgemäß ist es anstrengend, für ein Baby zu sorgen. Das ändert sich auch mit dem besten Modell nicht. Über ihre Erfahrungen mit einander, mit ihrem Modell und wie die anderen darauf reagieren, berichten die beiden sehr offen, manchmal fast zornig auf ihrem Blog.

Das Modell der beiden kann nicht für alle Familien funktionieren. Man muss nicht immer mit den beiden einer Meinung sein, wenn sie zum Angriff auf traditionelle Familienmodelle blasen. Die funktionieren für manche Leute vielleicht ganz gut. Aber es ist schön zu sehen, dass es auch anders geht. Die frische, direkte Art, mit der Suse und Micha das Thema angehen, macht ihr Blog lesenswert.

 

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