Journalistische Vorbilder oder warum ich ab jetzt immer einen Notizblock mitnehmen werde

Ohne Notizblock unterwegs, selber schuld
Ohne Notizblock unterwegs, selber schuld

Ich mache diese Ausbildung an der Freien Journalistenschule (FJS). Das ist ein Fernstudium und führt zu gar keinen Terminkonflikten mit meinem hektischen Dasein als frischer Studienabgänger, der ständig auf der Jagd nach Arbeit, Aufträgen und Einhörnern ist. Aber im Vergleich zum Studium an der Universität Wien ist die Ausbildung eine einsame Angelegenheit.

Da hilft der Berliner FJS-Stammtisch. Der ist eigentlich kein Stammtisch, sondern ein Grüppchen aus fünf Leuten, das sich öfter zum Lernen und manchmal auch auf ein Bier treffen. Diese Termine zu koordinieren ist übrigens höllisch kompliziert. Ein Fernstudium machen nämlich vor allem Menschen, die auch etwas anderes machen. Sie haben nie Zeit und wenn, dann nicht alle gleichzeitig.

Beim ersten Treffen war ich neugierig, wieso sich die anderen für Journalismus entschieden haben. Um mir ein Bild davon zu verschaffen, habe ich in die Runde gefragt, was meine Kollegen denn für journalistische Vorbilder haben. Mit den Antworten konnte ich allerdings nicht viel anfangen, die Namen sagten mir nichts. Das war mir ein wenig peinlich, aber ich war gewillt, die Wissenslücken zu schließen. Also schrieb ich mir die Namen auf, mit einem geliehenen Kugelschreiber auf die Rückseite eines alten Kassabons. Wir waren auf ein Bier verabredet, natürlich hatte ich keinen Notizblock dabei. Nachdem ich alle Namen mit meiner krakeligen Sauklaue auf das Zettelchen geschrieben hatte, fragte mich eine Kollegin, ob ich die Liste per E-Mail rumschicken könnte. „Klar, mach ich gern“, versprach ich.

Als ich wieder daheim war, fiel mir ein, dass ich auch einen Blogartikel darüber schreiben könnte. Wäre vielleicht auch für Menschen außerhalb dieser Runde interessant. Ein Blogartikel ist allerdings Arbeit und meistens nicht die dringlichste. Daher schob ich die Angelegenheit vor mich her.

Als ich heute anfangen wollte, konnte ich den Kassabon nicht mehr finden. Ich hatte die alten Kassabons aus meiner Geldtasche ausgeräumt und in der Zwischenzeit hatten sie sich großzügig über meinen Schreibtisch verteilt. Da lagen sie nun zwischen allerhand anderem Papier. Ganz so sicher, ob ich den fraglichen Bon nicht vielleicht doch weggeworfen hatte, war ich mir auch nicht. Ich rechnete damit, mein Versprechen nicht halten und den Artikel nicht schreiben zu können. Es vergingen Minuten der milden Verzweiflung, bis ich den Zettel endlich wiederfand. Es gibt Schlimmeres und in diesem Fall wäre es verschmerzbar gewesen, wenn ich meine Notizen verloren hätte. Aber ärgerlich war es trotzdem.

Was habe ich daraus gelernt? Es kann immer passieren, dass man etwas notieren möchte. Das könnte dann auch wichtiger werden, als ursprünglich gedacht. Eine banale Einsicht, aber eine wesentliche.

Ich werde ab jetzt immer einen Notizblock und einen Stift mitnehmen, wenn ich aus dem Haus gehe. Nicht nur für Recherchen, sondern auch sonst. Der Block hat den Vorzug, dass man später weiß, wo etwas steht. Ich lege auch Wert darauf, dass es ein richtiger Block ist, kein kleines, schwarzes Notizbuch und schon gar kein Handy oder Tablet. Aber das ist Geschmackssache. Der Stift sollte ein Bleistift sein, denn Bleistifte funktionieren immer und werden nicht in unpassenden Momenten leer.

Natürlich verrate ich auch, was meine kleine Umfrage ergeben hat. Das sind die Journalisten, die meine Fernstudienkollegen und ich toll finden:

Charlotte Wiedemann. Die deutsche Journalistin hat Reportagen aus Südostasien und dem nahen Osten geschrieben und die NGO Sawasya gegründet, eine „Agentur zum besseren Verständnis des Fremden“.

Jonathan Littell. Der Franzose überschreitet immer wieder die Grenze zwischen Literatur und Journalismus. Er hat einen aufwändig recherchierten Tatsachenroman geschrieben, literarische Werke vom Französischen ins Englische übersetzt und aus verschiedenen Kriegsgebieten berichtet.

Anna Politkowskaja. Die regierungkritische russische Journalistin wurde 2006 an Wladimir Putins Geburtstag ermordet. Der Täter wurde zwar verurteilt, aber wer die eigentlichen Drahtzieher sind, ist bis heute nicht aufgeklärt.

Ilija Trojanow. Den habe ich auf die Liste gebracht. Ein Deutscher, der in Bulgarien geboren wurde und in Afrika aufgewachsen ist. Mich hat seine Reportagensammlung Der entfesselte Globus begeistert, sie ist ungeheuer eindringlich geschrieben. Mit Angriff auf die Freiheit gibt es ein Buch zum Thema Überwachungsstaat von Trojanow, das älter ist als der NSA-Skandal.

Für den Fall, dass ich jetzt in jemandem den unbedingten Wunsch nach dem Duft von neuen Büchern geweckt habe, gibt’s nicht ganz uneigennützige Amazon-Links. Wenn ihr hier klickt und die Bücher von Charlotte WiedemannJonathan LittellAnna Politowskaja oder Ilija Trojanow bestellt, bekomme ich auch ein paar Cent. 

2 Comments for “Journalistische Vorbilder oder warum ich ab jetzt immer einen Notizblock mitnehmen werde”

Elisabeth

says:

Guter Eintrag!
Ich habe am Anfang auch immer den Fehler gemacht, ohne Notizblock außer Haus zu gehen.. das passiert dir einmal und nie wieder. Irgendwann fühlst du dich nackt ohne Block.

Max Winter wäre noch zu nennen. Das ist ein Österreicher der als „Begründer“ der Sozialreportage gilt. Hab ein Buch von ihm, kann ich dir gerne mal borgen. http://de.wikipedia.org/wiki/Max_Winter

Lg,
Elisabeth

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